Teilweise lassen sich Familien allein aufgrund ihrer als zu gering empfundenen Vermögensgröße von dem Gedanken an ein eigenes Family Office abhalten – zu Unrecht, wie im Teil 4 dieser Artikelserie gesehen. Umgekehrt trifft man bei manchen Familien mit einem sehr großen Vermögen auf die Einstellung, dass man für solche ein Vermögen unbedingt ein eigenes Single Family Office (SFO) brauche.
Für ein SFO können viele Gründe sprechen – Statusgründe sollten es nicht sein. Dafür ist der Aufbau eines Family Office mit viel zu viel Aufwand und Verantwortung verbunden. Es ist richtig, dass ein Vermögen ab einer bestimmten Größenordnung eine professionelle Verwaltung benötigt. Und wenn das Vermögen einer größeren Familie gehört, deren Zusammenhalt ebenfalls gemanagt werden soll, gilt das umso mehr. Allerdings gibt es ganz unterschiedliche Wege, diese Verwaltung zu organisieren. Man sollte sich anhand der spezifischen Gegebenheiten und Vorlieben der eigenen Familie überlegen, wie individuell, wie eng, wie innovativ und wie vertrauensvoll die eigene Vermögensverwaltung strukturiert sein soll. Dann wird sich schnell zeigen, ob es am Ende ein eigenes SFO sein muss oder ob auch andere Strukturen ausreichen.
Ein gängiger – und absolut richtiger – Befund ist, dass kein SFO dem anderen gleicht. Das liegt zum einen daran, dass die Familien unterschiedliche Leistungen benötigen. Zum anderen stellt sich für jede vom SFO zu erbringende Leistung die Frage, ob und inwieweit es sie selbst erbringt oder extern zukauft. Aus der Summe dieser Entscheidungen lässt sich dann meist auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines eigenen SFO beantworten.
Welches sind die Gründe, die für ein SFO sprechen können? Allen voran ist es der Wunsch nach Autonomie: Die weitgehende Freiheit von regulatorischen Kontrollen, die an den individuellen Bedürfnissen der Familienmitglieder ausgerichtete Definition der Leistungen und der direkte Einfluss auf Team und Strategie des Family Office gewähren eine Unabhängigkeit und Flexibilität der Leistungen, wie sie das kundenorientierteste Multi Family Office (MFO) schwerlich darstellen können wird. Diese Autonomie erstreckt sich auch auf die Personalauswahl. Anders als beim Einsatz externer Dienstleister hat es die Familie bei eigenem Personal weitgehend selbst in der Hand, für personelle Kontinuität zu sorgen. Damit fällt es dann auch leichter, ein ganz spezifisches Familien-Know-how anzuhäufen und nutzbar zu machen. Aber schon beim Personal hat das SFO auch seine Schattenseiten: Die Personaldecke in einem SFO ist typischerweise dünn, so dass der Ausfall einzelner wichtiger Mitarbeiter die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen des SFO in Frage stellen kann. Sofern man nicht sehr erfahrenes Personal einstellt, durchleidet man als Familie womöglich eine Lernkurve der für das SFO arbeitenden Mitarbeiter. Und die Beschränkung auf die Fragestellungen einer Familie kann auch eine gewisse Verengung des Horizonts bewirken, die sich nicht ergeben würde, wenn die für die Familie tätigen Leute auch für andere Familien arbeiten und die dort gemachten Erfahrungen in ihre Tätigkeit einfließen lassen würden. Dennoch bringt das SFO im Hinblick auf das Personal einen entscheidenden Vorteil: Die Qualität der erbrachten Leistungen lässt sich besser steuern als bei einem MFO, bei dem man als Kunde auf die dort etablierten Prozesse weitgehend festgelegt ist und auch auf die Auswahl der zuständigen Mitarbeiter wenig Einfluss hat. Bei einem SFO lässt sich hier durch Austausch von Mitarbeitern, Verlagerung von Tätigkeiten von einem auf einen anderen Mitarbeiter und teilweisem Fremdbezug von Leistungen besser nachsteuern.
Ein weiterer Vorteil des SFO liegt in seiner Institutionalisierung begründet, also der Tatsache, dass die Familienmitglieder zu „ihrem“ Family Office eine Beziehung aufbauen können. Damit kann eine größere emotionale Bindung zum gemeinsamen Familienvermögen einhergehen, die den Familienzusammenhalt stärkt. Das unterstellt aber, dass das Family Office von allen Familienmitgliedern als positiv wahrgenommen wird. Erscheint es zum Beispiel der Next Generation eher als ein antiquiertes und den Interessen der Elterngeneration dienendes Relikt, kann der Effekt auch gerade der entgegengesetzte sein. Trotzdem: Das Family Office sollte natürlich alles daran setzen, der geschätzte Dienstleister aller Familienmitglieder zu sein, und wenn das gelingt, kann es ein wesentlicher Eckpfeiler der Family Governance sein. Je mehr die Familie nach gemeinsamen Erlebnissen strebt, die vom Family Office (mit-)organisiert werden, desto mehr spricht für das Vorhalten eines eigenen Family Offices, weil externe Dienstleister sich hier mit der Berücksichtigung der vielfältigen individuellen Wünsche sehr viel schwerer tun werden als ein auf die Familienbesonderheiten „eingeschossenes“ SFO. Und noch eine je-desto-Beziehung gilt: Je wichtiger und zahlreicher die sogenannten Family Services sind, desto eher empfiehlt sich ein SFO. Damit sind die Leistungen an und für die Familienmitglieder gemeint (in Abgrenzung zu den Leistungen für das Familienvermögen), also zum Beispiel individuelle Beratungsleistungen oder Concierge Services aller Art. Hier sind ein hoher individueller Betreuungsgrad und ein großes persönliches Vertrauen der Familienmitglieder erforderlich, die durch externe Dienstleister schwerer dargestellt werden können, insbesondere wenn sich bei ihnen häufigere Personalwechsel ergeben.
Es gibt noch weitere Argumente, die für ein SFO sprechen können: An vorderster Stelle ist da natürlich die weitgehende Freiheit von Interessenkonflikten zu nennen. Anders als die meisten Dienstleister ist ein SFO nicht versucht, eigene Produkte zu vertreiben oder Leistungskapazitäten auszulasten. Zumindest theoretisch kann die Familie von ihrem SFO auch eine volle Kostentransparenz erwarten und gegensteuern, wenn irgendwo das Preis-/Leistungsverhältnis nicht stimmt. Bei der Inanspruchnahme eines MFO lässt sich deutlich schlechter beurteilen, inwieweit den in Rechnung gestellten Preisen ein angemessener Aufwand gegenübersteht. Allerdings zeigt die Praxis, dass auch bei SFO die Familien in den wenigsten Fällen wirklich nachvollziehen können, wie viel Zeit von wem zu welchen Kosten auf einzelne Dienstleistungen verwendet werden, weil auch die Mitarbeiter eines SFO hier selten völlig transparent sein werden.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil eines SFO ist, dass mit seinem Head eine Person vorhanden ist, die im alleinigen Familieninteresse die Schnittstellen zwischen allen Prozessen überwacht, unabhängig davon, ob sie intern oder extern abgewickelt werden. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Und dieser Head of Family Office kann noch eine weitere wichtige Funktion wahrnehmen, weshalb allein viele Familien auf ein eigenes Family Office nicht verzichten wollen: Er kann die Vertrauensperson („trusted advisor“) der Familie sein, die die Familienverantwortlichen in strategischen Fragen berät und allen Familienmitgliedern als neutraler Berater in Fragen mit Bezug auf die Familie und das Familienvermögen zur Verfügung steht.
Schließlich gibt es Familien, die sich nicht vorstellen können, ihre persönlichen Daten an Dritte herauszugeben und diesen einen vollständigen Überblick über ihre gesamten Vermögensverhältnisse zu verschaffen. Wer diese Einstellung hat, wird an der Gründung eines SFO kaum vorbeikommen, muss dann nur schauen, wie er zu dessen Mitarbeitern das entsprechende Vertrauen gewinnt.
Diesen vielen Vorteilen können natürlich auch gravierende Nachteile eines SFO gegenüberstehen: Beginnend mit den hohen Kosten für Einrichtung und Betrieb des SFO, über Herausforderungen bei der Personalsuche, dem Zugang zu Investitionen, dem Aufbau eines Netzwerks, der Sicherstellung einer hinreichenden Professionalität bis hin zu Fragen der Abhängigkeit von einzelnen Personen sind hier einige Aspekte gegeben, die über die Beauftragung eines MFO nachdenken lassen können.
Andererseits lassen sich auch diese Nachteile mitigieren: Die Kosten für ein SFO werden oft, aber nicht immer höher sein als für ein MFO. Wenn es gelingt, die Mitarbeiter des SFO mit ihren Kompetenzen entsprechenden Aufgaben vollständig auszulasten, und das SFO vielleicht hinsichtlich seiner Infrastruktur an das Familienunternehmen andockt, wird sich der Kostenunterschied zum MFO signifikant reduzieren lassen. Das MFO seinerseits muss nämlich aus regulatorischen Gründen viel Aufwand betreiben, den ein SFO nicht hat, und es möchte schließlich auch noch Gewinn machen. Den Zugang zu Investitionen kann das SFO durch verschiedene Sammelstellen erlangen, wozu auch MFOs gehören können. Alternativ kann man versuchen, Club Deals mit anderen Familien zu organisieren. Für all das ist natürlich ein gutes Netzwerk erforderlich, das ein erfahrener Family Officer aber auch mitbringen kann.
Trotzdem werden wir uns im nächsten Teil dieser Artikelserie genauer mit den Vor- und Nachteilen von MFOs auseinandersetzen.